Frau Susetts wundersame Reise

Illustriert von Britta Teckentrup
Tulipan Verlag 2022, ab 4

Auf einer alten Brücke, auf der dicht an dicht viele Häuser stehen, wohnt Frau Susett. Sie ist sehr nett, aber ihre Nachbarn mögen sie nicht, weil sie ein Waisenkind und viele Tiere bei sich aufnimmt - und die sind fast alle nicht sehr leise. Die Entscheidung der Nachbarn fällt:
Frau Susett muss weg!
Doch wo soll sie nur hin?

Leseprobe

Die Stadt, in der Frau Susett lebte, lag an einem breiten Fluss. Über den Fluss führte eine uralte Holzbrücke, mit einer Straße und Häusern und Läden darauf. Unzählige Menschen lebten dort und zwischen den Dächern hing die Wäsche.

Frau Susett wohnte genau in der Mitte der Brücke. Das Haus war hoch und schmal und das einzige, das einen Balkon hatte. Dort stand Frau Susett jeden Abend und schaute auf den Fluss hinaus.

Unten im Erdgeschoss befand sich Frau Susetts kleine Werkstatt. Dort baute sie ihre Flöten, und zwar ganz verschiedene: Kreuzflöten und Querflöten, Langflöten und Kurzflöten, Dickflöten und Dünnflöten.

Jedes Mal, wenn sie fertig war, probierte sie die neue Flöte aus. Eine klang schöner als die andere, aber die Nachbarn beschwerten sich. "Ruhe!", schimpften sie. "Die Flöten töten uns den letzten Nerv! Flöte doch woanders!"

Frau Susett war wirklich nett. Sie warf den Bettlern Geld in ihre Hüte. Sie half alten Frauen beim Tragen ihrer Einkäufe. Sie stellte den Katzen Milch vor die Tür.

Eines Abends hörte sie von ihrem Balkon ein seltsames Geräusch. Vielleicht das Miauen einer Katze, die Hilfe brauchte? Aber als sie auf das Wasser blickte, schaukelte dort unten auf dem Fluss ein Korb aus Bast.

Frau Susett holte ihre Angel, angelte sich den Griff und zog den Korb nach oben.

In dem Korb lag ein Baby! »Ach, wie nett!«, rief Frau Susett. Sie hatte sich immer schon ein Kind gewünscht. Und weil es ein kleiner Junge war, der in einem Bastkorb lag, nannte sie ihn Bastian.

»Ruhe!«, schimpften die Nachbarn, als das Baby zu weinen begann. »Erst die Flöten, dann ein Baby! Was kommt denn noch alles?«