Henrik staunte nicht schlecht, als er und Oma Cordula am Freitag zusammen losgingen. Sie trug ein Sommerkleid mit Blümchenmuster, an den Füßen braune Schuhe, in der Armbeuge eine braune Handtasche und auf dem Kopf einen breiten Strohhut mit einem Kranz aus bunten Stoffblumen. Ihre Wangen hatte sie mit rosafarbenem Puder betupft und die Augenbrauen dunkelbraun übermalt. Sie sah ganz anders aus als sonst. Irgendwie viel ... omariger.
„Mach bitte nicht so schnelle Schritte“, sagte sie zu Henrik (obwohl sie sonst eigentlich immer recht flott laufen konnte). „Denk daran, dass ich eine alte Frau mit schmerzenden Gelenken bin.“
„Muss ich dich stützen?“, bot Henrik an.
„Ach, das wäre nett ...“ Sie stützte sich auf Henriks linke Schulter. „Wie schön, dass ich endlich mal wieder ein bisschen rauskomme. Wenn man fast nicht mehr gehen kann, hat man ja kaum noch was vom Leben.“
Henrik ächzte, denn die Omahand auf seiner Schulter fühlte sich an wie ein Sack Zement. „Aber du warst doch gerade noch auf Weltreise“, stöhnte er.
„Wirklich? Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern ...“, seufzte Oma Cordula. „Jeden Tag sterben in meinem alten Kopf ein paar Millionen Gehirnzellen ab. Gestern waren es die, wo das Kreuzfahrtschiff gespeichert war. Und heute früh die mit der Erinnerung an die Chinesische Mauer und die Riesenkängurus. Ich glaube, ich weiß schon gar nicht mehr, wie ein Känguru aussieht ... Und was ein Känguru überhaupt ist! Kann man das essen?“
„Ich glaube ja“, keuchte Henrik. Wenn sie in diesem Tempo weiterliefen, würden sie erst Freitag in einer Woche bei Jonas und den Omas ankommen.
Zum Glück wurde es Oma Cordula am Ende der Straße zu langweilig, alt und krank zu sein, deswegen ließ sie Henriks Schulter wieder los, rief „Jetzt komm endlich!“ und marschierte so schnell weiter, dass er fast rennen musste, um mit ihr Schritt zu halten.